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Smilla Louise

Kinderkriegen? Kinderspiel!

Eine Woche nach dem errechneten Termin – und noch immer keine Wehe in Sicht. Wie schnell Vorfreude in Frust umschlagen kann, besonders, wenn der Gynäkologe ständig den Teufel an die Wand malt. Er, offensichtlich kein Fan von Hebammen und Geburtshäusern, erzählte in den Tagen vor der Geburt gerne von Notfällen, Operationen und Frauen, die in Geburtshäusern fast ihr Leben gelassen hatten. Wenn man sich aufgrund der Äußerung eines Mediziners schon vor der Geburt wie eine schlechte Mutter vorkommt, sollte man den Arzt im Anschluss eventuell wechseln.

Der 18. Mai soll der Geburtstag unserer Tochter werden. Allerdings sieht es bis zum späten Nachmittag noch nicht danach aus. Kleines Nickerchen, den Kopf einmal ausschalten, und endlich geht es los:

17:45 Uhr: Da Smilla unser erstes Kind ist, habe ich keine Vergleichswerte. So gehe ich davon aus, dass alles seine Zeit braucht und diese Wehen sicherlich erst die Vorboten dessen sind, was final noch auf mich zukommt. Ein kleiner Gang zur Apotheke, ein Einkauf im Supermarkt – es wird immer intensiver. Das Abendessen landet halbfertig im Kühlschrank, ich auf dem Sofa und Tim sucht hastig die letzten Gegenstände für unsere Geburtshaustasche zusammen. Der Wehen-Counter auf dem Handy spricht Bände: Abstand 4 Minuten, Länge 1 Minute.

20:00 Uhr: Manuela, die Hebamme im Geburtshaus, rät zu einem entspannenden Bad. Lieber nicht, dafür ist keine Zeit mehr. Ich sitze auf dem Fußboden in der Küche und überlegte, wie viel Verkehr wohl um die Uhrzeit zu erwarten ist.

21:00 Uhr: Tasche gepackt, Käsebrot verschlungen, das hier ist keine Übung mehr. Das Baby ist auf dem Weg. Und wir jetzt auch. Der kurze Weg zum Auto dauert eine Ewigkeit. Atmen, anhalten, am Treppengeländer festkrallen und dann wieder weiter.

21:20 Uhr: Im Auto fange ich an zu schreien. Wie soll man denn bei dem Wehen-Tempo atmen? Aber das Baby braucht doch Sauerstoff! So ein Mist! Wie soll man das noch mal machen? Was haben die im Geburtsvorbereitungskurs gesagt? Ich schreie, atme, draußen vereinzelt Menschen auf dem Weg nach Hause, einige Rentner gehen die letzte Runde des Tages mit ihren Hunden Gassi. Tim fährt. Jede grüne Ampel registriere ich dankbar.

21:45 Uhr: „Mehr als 8 Zentimeter, das Baby kommt, ich rufe schon mal meine Kolleginnen an“, sagt Manuela. Langsam läuft Wasser in die Badewanne, ich zerre mir das T-Shirt vom riesigen Bauch und steige wild entschlossen hinein. Tim sitzt am Wannenrand und trinkt mit einer Hand Kaffee, die andere brauche ich, um mich daran festzukrallen. Die Tasche steht noch immer im Auto.

23.10 Uhr: Die Fruchtblase steigt an der Wasseroberfläche auf, wie eine riesige Kaugummi-Blase. Ich kann den Kopf des Babys dahinter fühlen. Völlig surreal. Die Schmerzen sind nicht so schlimm. Die Wehen sind körperlich anstrengend. Wie eine abgefahrene Sportart. Ob man davon Muskelkater bekommt? Die Herztöne des Babys sind noch immer entspannt.

23:15 Uhr: Tim und das Hebammen-Team, Manuela, Karo und Nina, sitzen um die Badewanne herum und atmen mit mir. Laut und rhythmisch. Sanftes Licht untermalt die Szenerie. Meine Augen sind geschlossen. Ich gebe dem Drang nach zu pressen, ändere das erste Mal die Lage. Auf Händen und Knien im Wasser erinnere ich mich daran, dass dies eventuell vor Geburtsverletzungen schützt.

23:33 Uhr: Einmal quetschen – der Kopf ist draußen.

23.37 Uhr: Noch mal quetschen – das Baby ist da. In der Fruchtblase in die Badewanne katapultiert, wird Smilla von selbiger befreit und mir in die Arme gelegt. Klein, warm, knautschig und leicht quakend – willkommen auf der Welt!

24:00 Uhr: Wir kommen an, bewundern unser Baby. Als Familie genießen wir den Moment.

01:00 Uhr: Die Plazenta ist riesig, ich verliere viel Blut. Tim versorgt unsere Tochter, Manuela schaut nach Geburtsverletzungen, von denen es glücklicherweise kaum welche gibt. Von dem Zeug aus unserer sorgsam gepackten Tasche brauchen wir nur Snacks und frische Kleidung für das Baby.

02:00 Uhr: Kreislauf ade. Ich komme nicht auf die Füße. Mir geht’s gut, aber ich kann nicht aufstehen. Traubenzucker, Kekse, Suppe, Saft, Kaffee – eine wilde Mischung, damit es endlich besser wird.

03:30 Uhr: Stillen klappt. Duschen, anziehen, ab nach Hause.

05:00 Uhr: Zwischen Abendessen und Frühstück haben wir ein Baby bekommen. Zu dritt liegen wir zuhause im Bett. Der spannende Teil fängt jetzt erst an!