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Ava

Liebe Hebammen des Geburtshauses,

Am 14.04.18 durften wir die wunderschöne Geburt unserer Tochter Ava bei und mit Euch erleben. Schon in den Vorsorgen habe ich mich besonders gut bei Euch aufgehoben gefühlt. Mit dem Geburtshaus verbinde ich ganz viel Geborgenheit und Fürsorge. Zu Euch zu kommen, war immer wie nachhause kommen. Wir hätten uns keinen besseren Ort für die Geburt vorstellen können!

An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich für alles bei Euch bedanken. Wir sind so froh, dass es euch gibt und macht genauso weiter!

Ein großer Dank geht an Anna, die uns in ihren Geburtsvorbereitungskurs alles Wichtige mit auf den Weg geben hat. Für uns war es genau richtig, wie du es umgesetzt hast.

Vielen Dank an Sylvia, die ich morgens um 6:15 Uhr mit meinem Anruf aus des dem Bett holen durfte.

Ein ganz besonderer Dank geht an Larissa, Anja, die Hebammenschülerin Anna, meinen Mann Gunnar und an Ava, wir waren ein ganz tolles Team unter der Geburt.

Und schließlich ein herzliches Dankeschön an Maike, die uns im Wochenbett mit Rat und Tat zur Seite stand und uns durch Höhen und Tiefen ganz wunderbar und liebevoll begleitet hat.

Sollte uns das Glück widerfahren, dass Ava irgendwann mal ein Geschwisterchen bekommt, dann wieder ganz sicher mit Euch an unserer Seite!

Liebste Grüße von Gunnar und Carina Kraus mit Ava

 

Ich habe das Lesen von Geburtsberichten immer als ganz wunderbare Vorbereitung empfunden. Deshalb möchte ich auch meinen Bericht sehr gerne teilen:

Freitag, der 13.04.18 (39+6)

3:00 Uhr:
Ich muss wie so oft nachts raus auf die Toilette. Als ich mich wieder zurück ins Bett lege merke ich wie sich ein kleiner Schwups Flüssigkeit in meine Hose ergießt. Ich bin müde und denke mir erstmal nichts dabei. Ich versuche wieder einzuschlafen, was mir dann irgendwie doch nicht gelingt. Ich beginne darüber zu grübeln, also stehe ich wieder auf und gehe zurück ins Bad. Ich stellefest, dass es sich ganz wenig klare Flüssigkeit handelt und ich beschließe, es erst einmal als eventuell verflüssigten Schleimpfropf zu verbuchen. Ich tapse wieder zurück ins Bett. Kurz darauf spüre ich eine Übungswehe, wie ich sie in den letzten Wochen schon so häufig hatte. Immer wieder auch mal über längere Zeit in regelmäßigen Abständen, sodass schon mal dachte, dass es vielleicht langsam losgeht. Da die Wehen aber nie intensiver wurden und sich irgendwann die Regelmäßigkeit verlor, war dem bisher leider nicht so. Als ich mich im Bett umdrehe bemerke ich wieder ein Tröpfeln. Irgendwie ist das komisch …

Also wieder raus aus dem Bett und ins Bad. Jetzt finde ich leicht rosa-blutige Flüssigkeit vor. Ich möchte selber nach meinem Muttermund tasten, komme aber nicht an ihn heran. Finde aber etwas hellrotes Blut an meinem Finger, vermutlich eine Zeichnungsblutung. Es scheint sich also etwas zu tun. 

Nach erneutem Tröpfeln beschließe ich das Indikatorpapier, dass ich vom Gyn bekommen habe heraus zu kramen. Resultat, es verfärbt sich grün. Bei Fruchtwasser sollte es eigentlich blau sein. Na toll, das bringt mich auch nicht wirklich weiter.

Ich beschließe, dass es die beste Idee ist wieder zurück ins Bett zu gehen. Das Tröpfeln bleibt und ich habe immer wieder Kontraktionen auf Übungswehenniveau. Ich schaue auf meinen Wecker und stelle fest, dass sich die Wehen auf 8-7 min einpendeln. Ich versuche wieder einzuschlafen. Es ist jetzt sicher gut noch Kraft zu schöpfen, sollt es heute wirklich losgehen. Aber ich kann nicht, ich bin irgendwie total aufgewühlt und die Ungewissheit piesackt  mich. Von da an warte ich nur noch darauf, dass der Wecker meines Mannes Gunnar klingelt. Währenddessen höre ich immer wieder in meinen Bauch und spüre die Bewegungen unter meinen Händen. Ihr scheint es also gut zugehen! Weiterhin wird der Bauch regelmäßig schmerzlos hart.

5:45 Uhr:
Endlich der Wecker klingelt. Ich erzähle Gunnar was heute Nacht so bei mir los war. Ich beschließe noch bis 6:15 Uhr zu warten,  um zu schauen ob das Tröpfeln weiterhin bleibt und dann  die Rufbereitschaft im Geburtshaus anzurufen. Schließlich müssen wir auch die Entscheidung treffen, ob Gunnar noch zur Arbeit geht oder sicherheitshalber zuhause bleibt. Sylvia hat noch bis 10:00Uhr Rufbereitschaft, also wähle ich ihre Nummer und schildere ihr meine Unsicherheit.

6:15 Uhr: 
Wir schmieden folgenden Plan: Ich soll nochmal schlafen gehen (leichter gesagt als getan, ich bin innerlich total aufgewühlt und möchte am liebsten sofort Gewissheit. Zumal ja diverse Schlafversuche heute Nacht bereits gescheitert waren), Gunnar bleibt zuhause und wir treffen uns später im Geburtshaus, für einen weiteren Fruchtwassertest, wenn ich bis dahin keine geburtsrelevanten Wehen habe. 

Nach dem Anruf verspüre ich für längere Zeit kein Tröpfeln mehr und glaube daraufhin, dass es bestimmt doch nur verflüssigter Schleimpfropf war und alles ein Fehlalarm. Später setzt es aber wieder zuverlässig ein.

8:32 Uhr:
Ich bekomme eine SMS von Larissa, die den Rest des Tages Bereitschaft hat und wir verabreden uns um 12:00 Uhr im Geburtshaus zum Fruchtwassertest.

Im Laufe des Vormittags frühstücke ich noch etwas und versuche mich wenigstens zu entspannen, denn mehr als einen kurzen Powernap habe ich nach dem Telefonat mit Sylvia nicht mehr hinbekommen.

12:00 Uhr:
Ankunft in Geburtshaus.
Larissa nimmt mich zur Begrüßung in den Arm, dass finde ich ganz wunderbar. Ich fühle mich direkt wohl, geborgen und weniger verunsichert. Erst einmal schreiben wir ein CTG. Die kleine Bauchbewohnerin turnt und ist ganz besonders aufgeregt in meinem Bauch. Es sind alle 7min Wehen zu sehen. Nur sind diese zwar gut für mich spürbar aber  "leider" immer noch nicht schmerzhaft. Larissa fühlt liebevoll bei einer Kontraktion auf meinen Bauch und sagt mir, dass da bestimmt schon gute Vorarbeit geleistet wird. Dann geht es mit einem Stück Indikatorpapier für mich auf die Toilette. Ich führe es ein und als ich es wieder raushole ist es oben ganz leicht bläulich verfärbt. Irgendwie wieder uneindeutig. Larissa drückt ein weiteres Stück auf meine Slipeinlage, dieses verfärbt sich direkt  blau. Larissa beratschlagt sich mit Lena. Nach der kurzen Besprechung sind sich beide einig, dass es Fruchtwasser ist und sie mich recht schnell unter der Geburt sehen wollen. Um noch außerklinisch entbinden zu können, muss sich also wehentechnisch mal etwas mehr tun. Sonst muss ich in die Klinik zur Antibiotikumeinnahme und dort entbinden. Dieses Szenario entsprach aber sogar nicht meinen Vorstellungen einer Wunschgeburt.

Irgendwann in meiner Schwangerschaft habe ich mal gesagt, dass ein Blasensprung ohne schnell einsetzende Wehen, mit Abstand der ungünstigste Geburtsbeginn für mich wäre.

Genau das ist mir passiert und das an einem Freitag den 13. Nun habe ich die 24-Stunden-Grenze für die Antibiotikumgabe im Nacken.

Also bekräftige ich mich innerlich, jetzt schön produktive Wehen zu bekommen und das bitte recht zügig. Auch dem Baby rede ich gedanklich gut zu, schließlich sind wir ein Team und ich weiß, egal wie es kommt, wir werden das ganz wunderbar meistern.  

Jetzt wird mir nochmal richtig bewusst, dass es tatsächlich unumkehrbar ist und ich in absehbarer Zeit unser Baby in den Armen halten werde.

Larissa gibt mir ein Fläschchen Rizinusöl und Wasser mit Vitamin C mit und wir vereinbaren um 18:00 Uhr nochmal zu telefonieren, wenn sich bis dahin nichts Relevantes getan hat. Ich soll mich ausruhen, meinen Bauch massieren, Yogi Tee trinken und wenn ich Lust habe in die Wanne.

Der weitere Nachmittag zuhause:

Bis auf einen kurzen Powernap bringe ich wieder nichts mehr zustande. Ich freue mich so sehr auf das kleine Wesen in meinem Bauch und wünsche mir so sehr ordentliche Wehen herbei. Ich fühle mich schon seit Tagen absolut bereit für die Geburt, nur macht mir die Ungewissheit bezüglich des Geburtsortes weiterhin Sorgen.

Immer wieder tigere ich in unserem Wohnzimmer, Küche und Flur auf und ab, dabei massiere ich meinen Bauch. Durch die Massage kann ich viele Kontraktionen hintereinander erzeugen, nur leider nicht in der gewünschten Intensität. 

Gunnar gießt mir immer wieder eine Tasse Yogi Tee auf und macht mir Milchreis mit Zimt und Zucker. Öfters muss ich auf Toilette meinen Darm entleeren, aber von schmerzhaften Wehen immer noch keine Spur. In der Badewanne werden die Abstände zwischen den Kontraktionen etwas größer. Zuvor war ich bei 5min-Abständen angelangt.  Nach dem ich aus der Wanne raus bin kommen zwei etwas intensivere, aber immer noch nicht wirklich schmerzhafte Wehen. Na toll, und in meinem Kopf höre ich immer dieses leise „TickTack“, als leider keine dritte Wehe in dieser Stärke folgt. Es ist mittlerweile fast 18:00 Uhr. Es ist für mich klar, dass wir gleich den Joker Rizinusöl ziehen werden. Hoffentlich klappt das!!!

18:00 Uhr:
Ich telefoniere mit Larissa und schildere ihr die immer noch nicht viel versprechende Lage.
Die schlägt vor ein Ei in der halben Dosis Rizinusöl zu braten und zu essen. Wenn nichts anderes passiert treffen wir uns um 20:30 Uhr im Geburtshaus zur CTG-Kontrolle.

20:30 Uhr:
Ankunft im Geburtshaus mit minimal intensiveren Kontraktionen, die alle 3-4min kommen. Auf der gut 30-minütigen Fahrt zum Geburtshaus hatte ich etwas Angst mit der abführenden Wirkung des Rizinusöls konfrontiert zu werden. Es passierte aber zum Glück nichts. Wahrscheinlich weil mein Darm sowieso schon von selbst ganz gut entleert war.

Immer noch kann ich während der Wehen sprechen, laufen und habe kein Bedürfnis diese zu veratmen. 

 -TickTack, TickTack-

Oben im Geburtshaus begrüßen uns Larissa, Anja und die Hebammenschülerin Anna.

Ich freue mich sehr alle zu sehen und es macht sich ein Gefühl von Angekommen Sein in mir breit und eigentlich möchte ich auch nicht wieder hier weg.

Anna hatte ich schon in einer Vorsorge kennengelernt und beim Hebammenkennlernen noch zu ihr gesagt: „Wer weiß vielleicht sehen wir uns noch zur Geburt wieder“. Ich freute mich, dass es dann wohl so sein soll, falls ich endlich ordentliche Wehe entwickle. 

Wir schreiben wieder ein Kontroll-CTG. Die Wehen sind auf dem CTG gut sichtbar alle 3-4 min und der Kleinen geht es gut. Die Wehenintensität empfand ich jetzt gerade so als menstruationsstark.

Ich hätte nicht gedacht, dass es mal mein sehnlichster Wunsch wird schmerzhafte Geburtswehen zu haben!

Zusammen mit Larissa beschließen wir im Geburtshaus zu bleiben, da wir pro Strecke min. 30min Fahrzeit benötigen. Wie sich später herausstellte eine sehr gute Entscheidung. Wir wollen dort nochmal Schlafen und Kraft tanken. Ich kann mir auch gut  vorstellen, dass mir das jetzt gelingen könnte.  Also machen wir es uns im Bett bequem.

Ca. 22:00 Uhr:
Das Licht ist noch nicht lange aus und ich habe gerade eine gemütliche Schlafposition gefunden, als mich plötzlich eine kräftige Wehe überrollt. Es ist als wäre ein Schalter in mir umgekippt. Yes, bitte noch so eine! Und es kommt auch noch eine. Ich muss diese Wehen sofort veratmen und mich sehr auf sie konzentrieren. Regelmäßig rollen neue Wehen an, die ich wenig später schon leise vertönen muss. Noch bemerke ich von Gunnar, der hinter mir liegt, keine Regung. Ich gehe davon aus, dass er eingeschlafen sein muss und da ich gerade allein mit den Wehen gut zurecht komme, beschließe ich ihn nicht zu wecken.

Ich beginne mir das Kreuzbein zu massieren, so lässt es sich um einiges besser aushalten. Gunnar der mittlerweile wach ist versucht führsorglich die Massage zu übernehmen, nur fühlt es sich für mich viel besser an, wenn ich es selber mache. Also übernehme ich wieder.

22:45 Uhr:
Leise kommt Larissa wieder ins große Geburtszimmer, um nach uns zu sehen. Immer noch liege auf der Seite im Bett und veratme jede Wehe. Ich bin ganz tief  in mir versunken und fühle in die Kraft hinein, lasse sie in mir arbeiten und versuche mich sobald sie vorüber ist vollkommen zu entspannen. Weiter nehmen die Wehen an Intensität zu.

Als Larissa mich fragt, ob ich noch die zweite Dosis Rinzinusöl nehmen oder einen Einlauf möchte, verneine ich. Ich bin mir sicher, dass ich es nicht brauche. Denn ich spüre ganz klar, dass es voran geht. Ich frage Larissa nach einem Igelball für mein Kreuzbein. Außerdem macht sie mir noch eine Wärmflasche. Die Wärme der Wärmflasche im Rücken während der Wehen tut unheimlich gut.

Larissa hält sich im Hintergrund und lässt uns erst einmal für uns. Gunnar ist die ganze Zeit an meiner Seite. Er ist einfach nur da und reicht mir immer wieder Wasser an, wenn ich einen trockenen Mund habe. In den Wehen drückt er die Wärmeflasche auf mein Kreuzbein. Alles ist gerade ganz genauso wie ich es brauche: Ruhig, entspannt und ich kann mich ganz auf meine Wehenarbeit konzentrieren.

Irgendwann kann ich nicht mehr liegen und suche nach einer passenden Position auf dem Bett. Weiterhin begrüße ich jede Wehe mit offenen Armen, fühle in ihre Kraft hinein und stelle mir vor wie sie alles in mir weich und weit werden lässt.

Schließlich finde ich die passende Position vor dem Bett auf der Erde kniend. Der harte Boden unter mir gibt mir das Gefühl von mehr Halt und Sicherheit. In den Wehenpausen kann ich meinen Kopf auf dem Bett ablegen und wunderbar locker lassen.

23:50 Uhr:
Jede Wehe muss ich mit einem lauten, tiefen A-Laut vertönen. Weiterhin knie ich vor dem Bett. Larissa hat eine weiche Matte geholt, damit es bequemer für mich ist. Nur um auf die Toilette zu gehen verlasse ich diese Position. Immer wieder kreise ich ganz intuitiv mit dem Becken, besonders in den Pausen hilft es mir alles wieder locker zu lassen.

Larissa kontrolliert ab und an die Herztöne, aber die Kleine kommt wunderbar mit den Wehen zurecht. Auch die Wehenabstände und -dauer misst sie und wirft Gunnar optimistische, zuversichtliche Blicke zu. Davon bekomme ich überhaupt nichts mit, ich bin einfach völlig auf mich und was in meinem Körper gerade Gigantisches passiert fokussiert. 

Die Wehen sind mittlerweile unheimlich kraftvoll und schnüren sich um meinen Bauch und Rücken wie ein Korsett. Sie zu vertönen hilft mir enorm und ich habe dadurch das Gefühl sie in die richtige  Richtung zu lenken. Die Kraft der Wehen entspringt in meinem Unterbauch und im Kreuzbein, breiten sich dann wie eine Welle über den ganzen Rumpf aus und bleiben dort in einem drückenden, gleichzeitig ziehenden und brennenden Schmerz bestehen, um dann nach einer Weile wieder abzuebben. Dennoch freue ich mich über jede einzelne Wehe, weil sie mich immer näher zu meiner Traumgeburt im Geburtshaus und meinem Traumbaby bringt! Mittlerweile freue ich mich aber auch ganz besonders auf jede Wehenpause, auch wenn diese nur noch von kurzer Dauer sind. Ich bin währenddessen völlig schmerzfrei und versuche jede Sekunde auszukosten, um dann die nächste Kontraktion wieder mit offenen Armen empfangen zu können.

Samstag, der 14.04.18 (40+0)
Kurz nach Mitternacht:
Larissa fragt mich, ob ich in die Wanne möchte. Ich willige ein und freue mich schon auf das warme Wasser. Während das Wasser einläuft denke ich kurz daran, wie lange ich diese Wehen mit dieser Intensität wohl noch aushalten kann? Denn es kommt plötzlich ein Satz in mir hoch, den mal eine andere Mama von der Geburt ihres Kindes sagte: „Wenn du denkst du hast schon schlimme Wehen, glaub mir, die werden noch schlimmer.“

Diesen Gedanken verwerfe ich schnell wieder, als ich mich an das Abschlusszitat aus dem Buch von Jana Friedrich „ Das Geheiminis einer schönen Geburt“ zurück erinnere. 

Es ist das Straßenkehrer-Geheimnis aus „Momo“ von Michael Ende: 

"[…] Wenn er so die Straße kehrte tat er es langsam aber stetig. Bei jedem Schritt einen Atemzug und bei jedem Atemzug einen Besenstrich. Schritt – Atemzug – Besenstrich. Schritt-Atemzug-Besenstrich. […] „Siehst du Momo“, sagte er dann zum Beispiel „es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor ich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen. […] Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten[...]. Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie ..." .

Also beschloss ich mich wieder auf den einzelnen Besenstrich zu konzentrieren und nicht auf die ganze Straße!

00:10 Uhr:
Ich spüre wieder Harndrang und springe in einer Wehenpause auf, um es bis zur nächsten Wehe auf die Toilette zu schaffen. Immer noch läuft die Badewanne ein, auf die ich mich so freue!
Als ich fertig bin habe ich plötzlich das Gefühl auch noch Groß zu müssen. Bevor ich das wirklich registriere, zieht sich schon ruckartig und unwillkürlich meine Bauchmuskulatur zusammen. Schon wieder, ich kann nicht wirklich etwas dagegen tun und beginne zu drücken. Ich springe vom Klo auf und rufe: "Ich glaube ich muss pressen." Plötzlich ist das Gefühl in den Wehen ganz anders. Der Schmerz ist einem enormen Druck gewichen.  Es ist wie eine Kraft, die alles in mir nach unten zieht und schiebt. Ich habe da unstillbare Verlangen mitzuschieben. Ich stehe immer noch in dem kleinen Raum mit der Toilette versuche mich auf den Beinen zu halten und gegen diese Urgewalt anzukämpfen. "Ich glaube ich muss pressen!!!" Ich kann beim besten Willen nicht glauben, dass das es wirklich schon Presswehen sein können. Genauso wenig wie Larissa, die auch sehr überrascht scheint. Auch wenn es nur ein Augenblick war, bis Larissa und Gunnar bei mir waren kam es mir in diesem Moment ewig vor. 

Ich kann mich nicht mehr auf den Beinen halten, gehe auf dem Boden vor der Toilette in die Knie. Mit dem nächsten unwillkürlichen Pressen macht es „Pitsch“ und Fruchtwasser ergießt sich auf dem Boden. Larissa untersucht mich zum aller ersten Mal. Ich war wirklich vollständig geöffnet und durfte offiziell pressen.

In der nächsten Pause verfrachten mich Larissa und Gunnar zurück auf die Matte im Geburtszimmer. Ich falle wieder in die bewährte Position auf die auf die Knie. In dieser Phase spürte ich nach wie vor keinen Schmerz, nur einen unfassbaren Druck Richtung Steißbein und das unstillbare Verlangen zu pressen. Also presse ich wie eine Verrückte. Schnell ruft Larissa, Anja und Anna hinzu. Obwohl ich diese Phase so gut wie gar nicht schmerzhaft empfinde, bin ich hier recht laut. Ich habe das Bedürfnis dieser Kraft in mir ein Ventil zugeben. Larissa sagt mir irgendwann, dass ich „Ho, ho, ho“ machen soll und nicht mehr so sehr pressen. Obwohl ich versuche mich zusammen zu reißen gelingt mir das nur bedingt. Zu diesem Zeitpunkt spüre ich weiterhin einen enormen Druck Richtung Steißbein und ein Brennen in der Scheide, dass mir sagt, dass ihr Kopf kurz vor dem Austritt stehen muss. Ich bin total motiviert in dem Wissen, dass ich es gleich geschafft habe und unser Baby endlich in den Armen halten kann. Larissa sagt mir kurz darauf, dass sie schon ganz viele Haare sehen kann und fragt mich, ob ich nach dem Kopf fühlen möchte. Das tue ich. Gunnar sitzt neben mir auf dem Boden, hält die Wärmflasche auf mein Kreuzbein und immer wieder höre ich seine Stimme, die mir sagt wie toll ich das gerade mache. All das gibt mir nochmal einen zusätzlichen Motivationskick. Zu diesem Zeitpunkt kommt auch Anna im Geburtshaus an. Wenige Minuten später als Anja das Geburtszimmer betritt, hatte ich den Kopf gerade geboren. Mit der Geburt des Kopfes verschwindet der Druck auf das Steißbein und der Pressdrang  ist plötzlich weg. Kurz habe ich Bedenken, dass das jetzt so bleiben würde. Dann beginnen die Wehen wieder. Anja hilft mir mein linkes Bein aufzustellen, damit der Körper besser geboren werden kann. Ich stütze mich dabei auf Gunnars Schultern ab und dann habe ich schon den ganzen Körper geboren. 


00:40 Uhr
Larissa reicht sie durch meine Beine und legt sie vor mir ab.
Da lag sie nun nass, etwas blutig und noch ein wenig blass, aber vollkommen und wunderschön. So fremd und doch vertraut.  Das kleine Wesen dessen Ankunft wir uns so herbei gesehnt hatten. Jetzt war dieser magische Moment da. Es war als würde die Welt in diesem Moment still stehen. Ich sehe sie noch einen Augenblick an, hebe sie dann auf und drücke sie an meine Brust, heiße sie willkommen auf der Welt. Larissa und Anja helfen mir meinen Pulli auszuziehen und bringen uns ins Bett.

Sie schreit nicht, meckert aber und wird immer rosiger. Ich höre mich sagen: "Das würde ich nochmal machen!"
Larissa, Anja und Anna lassen uns erst einmal allein als Familie ankommen.

1:00 Uhr 
Die Nabelschnur ist auspulsiert und Gunnar trennt den letzten körperlichen Band zwischen uns.
Ich verspüre unmittelbar danach einen erneuten Druck nach unten und es fühlt sich an, als ob etwas in meiner Scheide liegt. Ich presse eins, zwei Mal und gebäre die Plazenta völlig schmerzfrei und vollständig.
Larissa, Anja und Anna gratulieren uns zur Geburt. Jetzt wird mir richtig klar, dass mein Wunsch von einer unkomplizierten, wunderschönen Geburt tatsächlich wahr geworden ist und ich unsere Tochter Ava auf dem Boden des Geburtshauses geboren habe. So wollte ich es und ich bin zu tiefst dankbar, dass ich es auch noch auf eine solch schöne Weise erleben durfte!
Obwohl der Blasensprung als Geburtsbeginn und das Warten auf die Wehen recht nervenzehrend waren, hat es mir im Nachhinein sehr geholfen. So konnte ich den Wehen, als sie endlich richtig da waren, noch positiver gegenüber treten. 
Später stellt sich heraus, dass ich einen fraglichen Dammriss 3. Grades habe und ich sicherheitshalber doch zum Nähen in die Klinik muss. Das ist für mich aber in Ordnung. Ganz entspannt fahren wir zusammen mit Larissa in die Klinik. Hier stellt sich glücklicherweise heraus, dass es doch nicht so schlimm ist wie gedacht. Ich bin sehr dankbar, dass Larissa auch während der gesamten Zeit des Nähens an meiner Seite bleibt!

Erschöpft aber von dem größten Glück erfüllt, dass man sich nur vorstellen kann fahren wir im Morgengrauen nachhause.