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Himmelsgeschenk

Anders als erwartet – aber wie sollte es auch sonst sein... – begann unser Abenteuer in der Nacht kurz nach dem Einschlafen. Blasensprung. Wurde auch Zeit – waren ja schließlich schon ein paar Tage drüber...

Da das Köpfchen sich schon optimal im Becken eingefunden hatte, lief es nicht wasserfallartig und da es auch noch keine Spur von Wehentätigkeit gab, wollten wir versuchen, alle Gedanken loszulassen und uns noch mit ein paar Stündchen Schlaf zu beschenken – was unbegreiflicherweise auch gelang.

Ich rief am Morgen dann im Geburtshaus an, schilderte die Lage und wir fanden uns am frühen Mittag zu einem Treffen im großen, schönen Geburtszimmer ein.

Anna, die sich schon am Morgen grandioserweise eine Stunde vor Beginn ihrer

Bereitschaftsdienstzeit aus dem Bett schmeißen ließ, erläuterte uns die verschiedenen Möglichkeiten, die Wehentätigkeit anzuregen und wirkte auch, nachdem die Akupunktur (ich hatte also insgesamt sechs Sitzungen für geburtsvorbereitende Akupunktur!!!) und ein langer Spaziergang „erfolglos“ blieben, entspannt und ruhig. Schließlich setzte sie mir „Dauernadeln“, gab mir ein homöopathisches Mittelchen und am Ende eben doch noch Rizinus...

Und siehe da: habe ich vorher den ganzen Tag „getönt“, „ich wünschte, ich hätte Wehen“, tönte ich dann unter Schmerzen und „verwünschte“ die Wehen ;)

Tatsächlich hatte ich sehr plötzlich vor allem sehr starke Schmerzen im Rücken, die auch in den kurzen Pausen nicht wirklich Erholung zuließen. Wehen, die ich allein oder im Stehen meistern sollte, waren so schwer auszuhalten, dass ich mich nicht in der Lage sah „den Schmerz anzunehmen“... Ich wusste theoretisch alles und sah mich doch grenzenlos überfordert... Und so ging es dann ins warme Wasser, welches mir helfen sollte, weich und annehmend zu werden... Jede Welle des Schmerzen brachte mich mehr dazu, alles loszulassen – leider (?!) auch mein Selbstbewusstsein, dass ich das schon gut schaffen würde... Irgendwann war alles gleichgültig und ich fühlte mich unfähig auch nur eine kleine Entscheidung zu treffen. Die Stimmung im Raum allerdings war so positiv und vertrauensvoll, dass ich das gute Zureden irgendwann nicht mehr in Frage stellte, alle Vorschläge und Hinweise ohne Zögern annahm und mich dem endlosen Tönen hingab. Meine allgegenwärtigen Gedanken der Unmöglichkeit dieses Vorhabens sollten dann eben genauso dazugehören, wie die mitfühlenden, in mich hineinsehenden Augen des werdenden Vaters und seine starken Hände, die all die Kraft, die ich doch nicht als meinen eigene Kraft empfand, entgegennehmen und halten konnten... Die Zeit nach dem Blasensprung war schon lang geworden: sollte die Geburt nicht „24 Stunden danach im vollem Gange sein“, würden wir nämlich wegen des zu hohen Infektionsrisikos in einen Kreißsaal des Krankenhauses umziehen müssen... Weil alle um mich herum an mich glaubten, konnte meine innere Stimme zwischen dem ganzen Tönen nicht noch lauter werden. Und dass dann, nach „nur“ drei Stunden Arbeit in der Wanne, der Befund enorm motivierend war – nämlich von „weich, verkürzt- etwa 1 cm“ auf 8-9 cm – und die Geburt weiter vor Ort stattfinden konnte, half als Unterstützung für das Selbst-vertrauen doch, um auch die nächste Hürde irgendwie noch zu nehmen... Das Köpfchen schob sich nämlich schon „nachdrücklich“ in den Geburtskanal, doch ein kleiner Teil meines Muttermundes wollte ihn noch nicht passieren lassen und hatte sich davorgeschoben. Das trieb mich nun also aus dem wohlig warmen, schwere-losen Nass, um eben diese dort fehlende Schwerkraft auf dem Hocker oder in anderen (un)möglichen Positionen nutzen zu können... Die Herztöne unseres Himmelsgeschenkes musste Anna immer tiefer suchen und sie waren durchgängig überwältigend entspannt – dass dieser kleine Mensch so gleichmütig mit der  Situation umging, war mir eine unvorstellbare Erleichterung. Irgendwann war dann auch diese „Muttermundslippe“ kein Thema mehr, denn alles drückte, brannte und schmerzte... also zurück in die Wanne. Ich hatte schon lange den Eindruck, der Kopf müsste jetzt da sein, denn die langen, feinen, schwarzen Haare, die sich sanft im Wasser bewegten, boten Grund zu allerlei Gelächter im Raum. Nur meine innere Stimme tönte wieder sehr laut und deutlich – „Herrgottwielangenoch!“...

Also wieder raus aus der Wanne und die Schwerkraft ihren Dienst tun lassen... Auch im Nachhinein empfinde ich diese Schwellen, diese „doppelte Hürde“ als unfassbar: Es tut weh und ich entziehe mich schon, dann drückt mein Körper „ohne dass ich es will oder verhindern kann“ mit und tut mir noch mehr weh...und dann soll ich auch mitdrücken und mir, obwohl es schon weh tut und mein Körper mir nochmehr weh tut auch noch mir selbst NOCH mehr weh tun?! All diese Gedanken brachten mir wohl die nachlassende Wehentätigkeit ein, doch flinke, liebevolle Hände massierten und reichten allerlei Wundermittelchen, sodass ich irgendwann dann tatsächlich weder Rücken noch Bauchschmerzen fühlte und nur noch „unter einem heiß brennenden, großen Bogen“ stand. Das Köpfchen hatte endlich den entscheidenden Millimeter geschafft, ich hatte schließlich den entscheidenden Millimeter nachgegeben und das entscheidende Quäntchen Mut gehabt, NOCH mehr Schmerz zu suchen und zu drücken.... Und nun sollten wir nur noch eine letzte Wehe abwarten – WARTEN?! – bis alles irgendwie unbegreiflich – Schultern, Bauch, Po, Knie und Füße und dann ganz wohlig, weich unser Kuchen gleich hinterher – „herausknubbelte“.....

Das kleine, entspannte Wesen lag mit großen, staunenden Augen auf mir, blickte in unsere großen, staunenden Augen und die Zeit stand kurz vor dem letzten wirklichen Sommersonnenaufgang still... Wir emfingen unser Blümchen demütig und lernen sie seither jeden Tag besser kennen...und uns selbst. Ein Dank – nein TAUSEND DANK – gilt an dieser Stelle „unserer“ Anna, die uns als guter Engel durch den ganzen langen Tag des Wartens und eine Nacht der Töne und Erkenntnisse leitete, hellen Frohsinn, tiefe Ruhe und starke Sicherheit ausstrahlte, und Paka, die um zwei Uhr nachts die Sonne aufgehen ließ und deren zaubernde Hände Linderung brachten, wo es unmöglich schien. Ein unvergessliches Ereignis teilen wir mit euch.