Facebook
YouTube

Himmelsgeschenk die zweite

Himmelsgeschenk – die Zweite...
„Anders als erwartet – aber wie sollte es auch sonst sein...“ – da mir der Geburtsbeginn durch einen Blasensprung bereits vertraut war und ich am eigenen Leib erfahren durfte, dass keine Schwangerschaft wie die andere ist, habe ich wirklich felsenfest mit einem anderen Geburtsbeginn gerechnet... Wie kündigte sich nun also das Abenteuer Geburt meines zweiten Kindes an?
Überraschung! ...mit einem Blasensprung. Wieder Zuhause und wieder nachts, wieder ohne Wehen... diesmal allerdings deutlich vor dem Termin...
Ja, es kommt eben IMMER anders als man denkt!
Ich genoss die letzten intimen, nächtlichen Stunden mit einem gerollten Handtuch zwischen den Beinen und einem munter zappelnden Kindlein im Bauch, schrieb ein paar Mails, sagte Verabredungen ab – und lächelte mit freudiger Gelassenheit in mich hinein...
Zu gewohnter Stunde weckte ich mein erstes Himmelsgeschenk mit den Worten, dass das
heißersehnte Geschwisterchen die Geduld nun nicht länger strapazieren will. Aufgeregt und wundervoll kooperativ machte sich meine Große in meiner (für den Vater des Zappelkindleins überraschend entspannten) Begleitung für den Kindergarten bereit, überschüttete mich mit Fragen und beobachtete, wie ich die (mittlerweile seit ein paar Stunden in größeren Abständen aber regelmäßigen) Wehen mit einem Lächeln im Gesicht beatmete. Die Oma des kleinen Wunders fuhr uns nach dem Schlenker zum Kindergarten des großen Wunders (im dichten Berufsverkehr und teilweise hinter der gemächlich arbeitender Müllabfuhr) nach Altona – und ich war noch immer tiefenentspannt. Meine innere Stimme hatte mir schon nachts geflüstert, dass ich mir keine Sorgen machen müsse. Es würde erst losgehen, wenn ich ganz! Ja sage...
Von Manuela, die sich über meine nächtliche SMS amüsiert hat, deren Bereitschaftszeit aber endete, Nina und Julia liebevoll empfangen, warfen wir unser Gepäck im Geburtszimmer ab – wieder fiel mir ein Stein vom Herzen, dass wir in diesem schönen Raum sein durften! – und ließen den Wehenschreiber ran... Ob wir noch frühstücken gehen wollen...? Nein! Die feste Nahrung lag mir bei der ersten Geburt bis zum Schluss direkt unter der Kehle. Der Liter Flüssignahrung aus dem Mixer war absolut perfekt (und ich würde jeder Schwangeren zum Geburtsbeginn von fester Nahrung abraten :P ).
Ich antwortete also: „Gebt mir ein paar Momente zum Ankommen. Ich weiß, dass es gleich
losgeht.“ Die geräuschdämpfenden Kopfhörer aufgesetzt und der eigens geschaffenen Playlist meines befreundeten Djs lauschend begrüßte ich fortan jede heranrauschende Wehe nicht nur mit einem kleinen sondern mit einem großen JA – und das Fest begann...
Anfänglich nahm ich die Kopfhörer noch hier und da ab und plauschte mit den Hebammen und dem gespannten, werdenden Vater – eine Weile später interessierte mich deren Gespräch nicht mehr und ich genoss voller Freude, was mir beim ersten Erlebnis nicht gelungen war. (Danke an dieser Stelle für Brittas Tipp, in den Podcast „die friedliche Geburt“ reinzuhören – dort fand ich Impulse und Anschluss an das verschüttete, uralte weibliche Wissen und das Vertrauen!)
Es gelang mir, eine vollkommen schmerzfreie und zärtlich hingebungsvolle Eröffung zu erleben – und diese wundervolle Erfahrung auch meinem zweiten, sich auf den Weg machenden Kind zu schenken.
Nach etwa zwei Stunden wurden die Wehen intensiver und die stetige Rückenmassage nötiger, sodass auf meinen Wunsch hin Wasser in die Wanne eingelassen wurde. Die Musik, die mich vorher in meiner eigenen Welt begleitet hatte, erfüllte nun das Badezimmer und ich war wieder – durch die neue Umgebung und durch das nicht mehr ganz so absolute Abgeschirmtsein – etwas mehr in dieser Welt... aber nicht lang. Weiterhin beatmend und die Massage empfangend vollzog sich das Wunder.
Nach jeder Wehe fanden wir die Herztöne tiefer und ich spürte, wie die Schwelle zur intensiven Phase überschritten wurde. Alle Gefühle und Ängste der ersten Geburtserfahrung waren plötzlich wieder sehr präsent (und ich war wirklich heilfroh, diese so gründlich aufgearbeitet zu haben!), doch durch die grandiose, schmerzfreie Eröffnungsphase hatte ich diesmal viel weniger Kraft auf dem Wege verloren. Ich ließ meinen Körper gewähren, gab Anweisung, den Druck aus der Massage zu nehmen und nur noch „den Weg zu zeigen“... Julias Worte und ihr stetiges, tiefes Tönen waren wie die gesegneten Hände im Rücken ein wunderbarer Anker. Sie boten Halt und erinnerten mich in jeder Wehe neu daran, trotz Schmerz offen zu bleiben und zu vertrauen. Das Köpfchen zu tasten erfüllte mich diesmal mit überwältigender Zärtlichkeit – daran zu denken, treibt mir immer wieder die Tränen in die Augen... Es ist einfach unbeschreiblich, was dieser Schwellenmoment an Kraft mobilisieren kann. Es gibt kein Zurück, es gibt nur vollkommene Hingabe. Ängste spüren, sie aussprechen dürfen – und sie letztendlich über Bord werfen... Es gibt keinen anderen Weg. Das eigene Tönen (und Wimmern!) in der Erinnerung zu hören, schockiert mich immer wieder. Die Auslieferung ist absolut.
Wie bei der ersten Geburt fehlte auf den letzten Metern die unterstützende Schwerkraft. Also wurde ich auch dieses Mal mit viel Zuspruch und Worten der Motivation aus der Wanne gehoben und vor das Bett getragen (ich hatte nicht das Gefühl, dass ich wirklich auf meinen eigenen Füßen gegangen bin – unzählige helfende Hände trugen mich...).
Als das Köpfchen geboren war, wägte ich mich in der sicheren Überzeugung, es geschafft zu haben – da bei der ersten Geburt alles weitere „wie von selbst“ geschah. Doch das Leben belehrte mich: Wer auch nur einen Wimpernschlag nachlässt, wer nicht alles gibt, was er hat, der bringt das Kamel nicht durch das Nadelöhr. So ging die Wehe ohne Erlösung gebracht zu haben – ich begriff... und überwand mich erneut.
Das zweite, zarte Himmelsgeschenk in meinen Armen, vollkommen überwältigt von der Intensität der Gefühle aber ohne jegliches Zeitgefühl saß ich auf dem Boden und feierte die Tapferkeit dieses kleinen, noch ganz blauen Geschöpfes – und war mit jeder Faser dankbar, dass – erneut! – alles gut gegangen war. Die Durststrecke, die durch eine um den Hals gelegte Nabelschnur und meine finale  Nachlässigkeit überstanden werden musste, hatte ihre Spuren in Form einer lilanen Verfärbung des Köpfchens hinterlassen und wird mir immer in Erinnerung bleiben: Nicht nachlassen! Immer!
Alles! Geben...
Auch die Nachgeburt wurde sehr liebevoll begleitet und Erleichterung machte sich beim finalen Glückwunsch breit...
Wie beim ersten Mal wurde erst nach höflichneugieriger Nachfrage mal „unter die Decke
geluschert“, um zu erfahren, welches Geschlecht das kleine Himmelsgeschenk hat – es ist
erstaunlich, wie nebensächlich diese „Details“ in solchen Momenten sind und wie offen mensch innerlich ohne vorgefertigte Schubladen bleiben kann...
Das Zeitgefühl blieb noch länger vollkommen ausgehebelt – wir konnten uns ganz in Ruhe
begegnen, den Gefühlen Raum geben... ankommen, Tränen fließen lassen... und den Namen finden. Statt von der aufgehenden Sonne wurden wir diesmal von einer hellen Mondsichel nach Hause begleitet – und der kleine Bruder wurde von der über alle Maßen aufgeregten, verzauberten und stolzen großen Schwester begrüßt.
Dann erst wurde mir beim Anblick meiner WunderKinder bewusst, dass beide genau am selben Fleck auf diese Welt gekommen sind... begleitet und aufgefangen von guten Engeln, die Ruhe, Sicherheit, Zuversicht ausstrahlten – und auch Anerkennung aussprachen... Ich bin unbeschreiblich dankbar und fühle mich gesegnet.